Weiss, Rudi

So krustig, roh und rau wie die Küste der Bretagne sind auch die Arbeiten von Rudi Weiss. Mit verschiedenen Spachteln trägt er die Ölfarbe pur auf, kratzt sie an anderer Stelle wieder ab, so dass der Bildinhalt einem ständigen Auf- und Abbau unterworfen ist – ähnlich den Gezeiten des Atlantiks.

1952 geboren in Ingolstadt/Donau
1972 Abitur in Heidenheim/Brenz
1974 -78 Studium der Geografie in Tübingen
1975 – 80 Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei den Professoren Groß, Schellenberger, von Stockhausen, Schubert und Sonderberg
1983 Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg
1985 Stipendium Cité des Arts, Paris
1993 Stipendium Casa Baldi in Olevano, Italien

Mitglied Künstlerbund Baden-Württemberg

Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen

„Abstraktion und Gegenständlichkeit beflügeln sich gegenseitig und sind ständiger Antrieb zu neuen Arbeiten.“ So beschreibt Rudi Weiss seine Malerei. Und tatsächlich: Bei vielen seiner Werke gibt es einen fließenden Übergang vom Abstrakten zum Konkreten – je nachdem wie man sich als Betrachter vor dem Bild bewegt. Tritt man nah heran, erlebt man Farben, Formen und Strukturen, die zunächst nichts vom Thema des Bildes erahnen lassen. Tritt man dann ein paar Schritte zurück, erschließt sich das dargestellte Motiv, wenn auch nicht in voller Klarheit und Deutlichkeit, so aber doch als verständliche Botschaft.

Das Œuvre des Künstlers besteht aus drei großen thematischen Säulen – Stein, Stadt und Land. Steine haben es ihm besonders angetan und sind integraler Bestandteil vieler seiner Arbeiten. Er „porträtiert“ sie in kleinformatiger Serie in ihrer individuellen Gestalt, Oberfläche und Farbe, während er sie andernorts in ihrer steinernen Gesamtheit als von der Brandung umtoste, schroffe Klippen an der Küste der Bretagne oder als schneebedeckte Felsformationen im Gebirge auf größere Formate bannt. Seine Stadtbilder, sofern sie keine eindeutigen und wiedererkennbaren Monumente darstellen, um eine Stadt zu definieren, bestehen aus kubischen Formen und sind eine Chiffre für die architektonische Komplexität der Stadt schlechthin. Steine also auch hier, diesmal allerdings nicht in ihrer natürlichen Beschaffenheit, sondern in bearbeiteter und behauener Form als essentieller Faktor im städtebaulichen Kontext.

Doch Rudi Weiss’ß Interesse gilt nicht nur dem festen, sondern auch dem fließenden Element. Seine Städte und Landschaften sind häufig von Flüssen durchzogen, von aufgewirbeltem Meer und Gischt geprägt. Dann gibt es aber auch ruhige Wasserbilder, nicht selten als großformatige Ausschnitte eines Flusses oder Teichs, auf dem Blüten oder Blätter schwimmen. Sie sind oft nur als farbige Flecken im Wasser zu erahnen, entfalten aber eine ungemein irisierende und flirrende Wirkung. Gerade solche Sujets beschwören die großen Meister des Impressionismus herauf und lösen Assoziationen an Gemälde von Monet oder van Gogh aus.

Man merkt schnell, Rudi Weiss ist ein Reisender zwischen Stadt und Land. Er nimmt seine Eindrücke aus der Ferne mit in sein Atelier und verarbeitet sie mit Spachtel und großen Mengen von Farbe, die er in vielen Schichten aufeinander türmt und von unten nach oben kehrt. So entstehen reliefartige Strukturen, die einem gewissen Rhythmus folgen, und eine mannigfaltige Farbigkeit, die durch dominierende Grautöne gezähmt wird. Auf diese für ihn typische Arbeitsweise bildet Rudi Weiss nicht das konkret Gesehene, sondern das Empfundene und Erlebte ab. Der Betrachter kann seine eigene Phantasie walten lassen und dadurch ein ganz individuelles Seherlebnis entfalten.

Rudi Weiss bringt die Farbe hauptsächlich mit dem Spachtel auf den Bildträger und verzichtet weitgehend auf den kleinteiligen Pinselstrich. Nur so können Bilder entstehen, die durch ihre Haptik und Dreidimensionalität bestechen wie die reliefartig strukturierten Arbeiten von Rudi Weiss.
Der Künstler malt mit Ölfarben, mischt sie auf seiner großen Tischpalette und trägt sie dann mit dem Spachtel auf die Leinwand auf. Wenn ihm die Farbmischung nicht zusagt, kratzt er sie wieder ab und trägt eine andere auf. Diesen Vorgang wiederholt er immer wieder: Aufspachteln der Farben, hin und wieder Abkratzen, dann erneutes Auftragen. So strukturiert und rhythmisiert Weiss sein Motiv und lässt eine vielschichtige, zum Teil schroffe und zerklüftete Oberfläche entstehen, die optisch durch vibrierende und schwingende Farben gekennzeichnet ist.

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